Neue Würdigung

Neue Würdigung – mit und ohne Ende

Eine Feier und eine Zeremonie zum Tod eines Ihnen nahen oder nächsten Menschen sind ein besonderes Teilen, Mitteilen und Miteinanderteilen Ihres besonderen  Erlebens  in den ersten Zeiten nach diesem Tod.

Es ist Teilen von Schmerz und Trauer, gemeinsame Markierung, Unterstreichung und Bekräftigung des wahrgenommenen, aber oft noch nicht für „wirklich wahr“ gehaltenen Endes dieses Lebens;

es ist zugleich gemeinsame Bekräftigung eines gleichfalls wahrgenommenen,  ebenso noch nicht für „wirklich wahr“ gehaltenen neuen Anfangs, einer neu erweiterten, unabschließbaren Verbundenheit mit diesem zu Ende gegangenen Leben in nächsten, nahen, weiteren und weitesten Zusammenhängen…, –

angefangen mit einem besonderen Überlassen des toten Körpers an die Elemente und  die Kräfte dieser Erde und  des Universums, mit denen wir alle es auch zu unseren Lebzeiten in uns und um uns herum immer schon unaufhörlich zu tun haben…, –

über erste gemeinsame Bekräftigungen der neu begonnenen Weisen, in denen Sie von nun an mit ihr*ihm in Ihrem ganzen weiteren Leben in Verbindung sein und bleiben werden,  in Erinnerungen, Träumen, Gedanken, im Gedenken,  spürbarem und wirksamem „Eingedenken“…, –

bis hin zu einer gemeinsamen Bekräftigung dessen, was Sie in einzelnen kurzen Momenten nach dem Tod Ihrer, Ihres Verstorbenen noch mal wieder neu erfahren und erlebt haben, eine Bekräftigung der einzigartigen Teilhabe des eigenen,  jedes einzelnen – und so auch dieses  nun zu Ende gegangenen Lebens an einer einzig wohltuenden Großen Selbstverwirklichung, in der alle  wohl- und wehtuenden Selbstverwirklichungen dieser Welt und dieses Lebens zusammengehören, aufgehoben und getragen sind.

das ganze Leben –  mehr als ganz

Mit all dem sind eine Feier und eine Zeremonie nach dem Tod des Ihnen nahen oder nächsten Menschen eine erste Würdigung ihres, seines Lebens, wie sie zu Lebzeiten nie möglich war und ist :

es ist eine abschließende Würdigung des nun abgeschlossenen ganzen Lebens, mit seinem Anfang und mit seinem Ende, –

und gleichzeitig ist es eine beginnende, eröffnende Würdigung, – Anfang, Auftakt einer niemals ganz abgeschlossenen, nie gänzlich abschließbaren, unausschöpflich erweiterbaren Würdigung eines offensichtlich nie ganz abgeschlossenen, nie ganz abschließbaren Lebens und Zusammenlebens.

„Rückblick“ – mit Ende

Als abschließende Würdigung ist es ein erster „Rückblick“ auf ein nun „ganz“ gewordenes Leben mit Anfang und Ende. In diesem Rückblick kann vieles erst einmal beinahe noch so direkt lebendig und so gegenwärtig werden, wie es Ihnen jetzt nach dem Tod in ersten, noch überaus lebhaften Weisen in Erinnerung kommt, – gute und weniger gute Zeiten, Seiten, Ernstes und Schweres wie ebenso Freude und Leichtigkeit, Witz und Humor, – und nichts braucht da schöner oder schlechter „gefärbt“, nichts „unter den Teppich gekehrt“ oder „hochgejubelt“ werden; –

und je ehrlicher, persönlicher,  lebendiger eine solche Würdigung ausfällt, umso stimmiger ist es, umso mehr „stimmt es“ für Sie – und umso mehr ist es damit zugleich eine nochmal verstärkende Bekräftigung, dass dieses Leben und Zusammenleben so, wie es war, wirklich jetzt zu Ende ist, dass dieser Ihnen nahe, nächste Mensch zwar weiter sehr nah, aber nun wirklich nicht mehr so da ist,  nie mehr so da sein wird wie im bisherigen Leben und wie gerade noch bis kurz zuvor. 

„Fortsetzung“- ohne Ende

Und zugleich wird mit dieser abschließenden Würdigung, mit diesem ersten Rückblick in ersten Anfängen das deutlich, was Sie selber auch vorher schon das eine oder andere Mal wahrgenommen haben: dass in  dem neu begonnenen Erinnern zugleich sehr bald,  fast mit jeder neuen Hinsicht, mit jedem neuen Blick etwas Neues dazukam, Ihnen  mehr und anderes in den Sinn und in den Blick kam, als Ihnen bislang bewusst gewesen war, als Sie bislang erinnert, gewusst, gesehen oder wahrgenommen hatten…,  –

und so wird es auch in und mit einer ersten abschließenden Würdigung zugleich in Anfängen deutlich, dass alles nicht nur so lebendig wird, wie es war, wie es gewesen ist, sondern dass es auch noch mal neu lebendig wird, anders, neu erweitert und bereichernd…, –

womit dann die begonnene Ahnung  zur zunehmenden Gewissheit werden kann, dass und wie sehr dieses vergangene Leben, jedes Leben unergründlich vielschichtig und unausschöpflich reichhaltig war und ist und bleiben wird,  – dass und wie sehr kein Leben ein „normales“ Leben ist und war, dass jedes einzelne Leben den „Stoff“ für unzählige Romane, Bücher, Filme in sich trägt, egal wie kurz oder wie lang es war,  egal mit welchen gewöhnlichen Maßstäben es zunächst wahrgenommen oder „einsortiert“ wird, wie   „erfolgreich“ oder „gescheitert“ es war,  „gelungen“ oder „misslungen“,  „erfüllt“ oder „unerfüllt“, „reich“ oder „arm“…, –

und dass es in jedem menschlichen Leben ein – kindlich-unbewusstes oder bewusst-erwachsenes –  Wissen gibt um die einzigartig eigene, einzelne und gemeinsame Teilhabe an einer einzigen und einzig allgemeinen, einzig wohltuenden Großen Selbstverwirklichung, in der alle wohl- und wehtuenden Selbstverwirklichungen dieser Welt und dieses Lebens zusammengehören, aufgehoben und getragen sind.

Damit ist eine solche erste Würdigung nach dem Tod eines Ihnen nahen oder nächsten Menschen für Sie ein besonderer, auch besonders unterstützender Auftakt Ihres begonnenen und noch länger währenden Abschieds von ihr, von ihm. Mit und in der Erinnerung an das vergangene Zusammenleben mit ihr, mit ihm werden zugleich Weisen eines bleibenden,  nun aber ganz neuen Zusammenlebens ermöglicht und eröffnet, mit ganz neuen und bislang ungekannten Weisen  Ihrer Verbindung – und Ihrer Unterscheidung –  mit und von diesem Ihnen so nah gewesenen  – und  lebenslang nah bleibenden Menschen.

ohne Anfang – ohne Ende

Im Bedenken ihres näheren oder nahenden Todes kommt manchmal einigen erwachsenen Menschen die Idee,  für die „eigene Beerdigung“, die „eigene Trauerfeier“ auch den „eigenen Rückblick“ und eine „eigene Würdigung“ zu schreiben. Einmal abgesehen davon, dass niemand an der „eigenen Beerdigung“ selber teilnehmen kann, jedenfalls nicht mit der gewohnten eigenen Wahrnehmung dieses Lebens, muss auch an dem eigenen Rückblick und der eigenen Würdigung immer noch etwas ausgespart bleiben, kann es niemals der Rückblick  auf das „ganze“ eigene Leben oder die Würdigung des „ganzen“ eigenen Lebens sein.

Denn zu einem Blick aufs ganze Leben fehlt da immer noch das, was ein Leben erst zu einem „ganzen“ Leben macht: das Ende. Und dieses Ende hat noch nie jemand in den Weisen dieses Lebens selbst erlebt, auch nicht in einem dieser schon öfter und teils sehr eindrücklich beschrieben „Nahtoderlebnisse“ . Solange da noch etwas in den Weisen dieses Lebens, mit bestimmten vorgeprägten, von anderen unterscheidbaren „Sprachbildern“ und „Wortgebilden“  selbst berichtet und beschrieben werden kann, ist das  „eigene“ Leben noch nicht an seinem gänzlich unfassbar bleibenden, unbeschreiblichen, in keiner Weise mehr zu beschreibenden Ende angekommen. Spätestens mit dem Ende muss jede*r das „eigene Leben“ aus der „eigenen“ Hand geben, sein ganzes eigenes Leben lassen, sich mit seinem ganzen Leben in ungekannter Weise überlassen.

Und weil auch niemand jemals den „eigenen Anfang“ wahrgenommen und erlebt hat,  niemand also weder den „eigenen Anfang“ noch das „eigene Ende“ aus „eigener Anschauung“ kennt,  je „selber“ wahrgenommen und in den Weisen dieses Lebens „selbst“ erlebt hat, sondern beides immer nur bei anderen wahrnehmen, es nur über andere kennen und von anderen von ihm wissen kann,  deswegen ist und bleibt das eigene, jedes „eigene Leben“ immer in einer merkwürdigen  Schwebe, ist es niemals „ganz“, ist und bleibt es immer „ganz anders“, mehr oder weniger als „ganz“, ist und bleibt  das „eigene Leben“ das ganze eigene Leben lang immer ohne eigenen Anfang und ohne eigenes Ende.


 

Kurz noch zur Frage nach einer persönlichen Würdigung durch „Außenstehende“:

Seit den 1980er, 1990er Jahren hat sich in unseren Breiten der Wunsch nach einer mehr „persönlichen“ – und weniger bestimmten „allgemeinen“ – Würdigung des vergangenen Lebens deutlich ausgeweitet und ist heute schon fast selbstverständlich.

Darüber taucht häufiger die Frage auf, ob eine Würdigung von einem „außenstehenden“ Menschen, der die*den Verstorbene*n gar nicht persönlich gekannt hat, nicht immer “unpersönlich“ – und auch unpersönlich „allgemein“ – bleiben muss, – und ob diese Würdigung nicht viel besser bei den nächsten oder nahen Menschen aufgehoben ist, die den, die Verstorbene*n auch „wirklich“ persönlich gekannt haben.

Dazu zwei kurze Bemerkungen:

(1) Eine Würdigung des nun abgeschlossenen Lebens in einer Zeremonie nach dem Tod eines Menschen durch nahe oder nächste Menschen ist durchaus möglich. Es ist nur zu bedenken, dass es sich dabei zum einen um eine seltene und weitgehend unbekannte Aufgabe handelt; und dass es zum anderen gerade für persönlich Nahestehende eine besonders schwierige Aufgabe ist, in dieser Situation zu sich selbst, zur eigenen „Betroffenheit“, zur eigenen Verbundenheit mit der, dem Toten, so in Abstand zu treten , dass zum einen die Betroffenheit und die Verbundenheit der anderen Nahestehenden ebenso ihren Platz bekommen können – und dass zum anderen in all dem ein erster Blick aufs ganze Leben möglich werden kann, von seinem Anfang bis zu seinem Ende.

Deswegen ist es ratsam, bei Überlegungen zu einer eigenen Gestaltung zumindest vorher einmal den Rat und das Wissen eines Menschen einzuholen der mit dieser Aufgabe vertraut ist.

(2) Eine Würdigung durch eine*n Außenstehende*n kann sehr wohl sehr persönlich ausfallen.

Voraussetzung dazu ist allerdings, dass sie, er sich genügend Zeit nimmt für Gespräche mit Angehörigen und/oder Freund*innen über das Leben des, der Verstorbenen und ihre Verbindungen zu ihr, zu ihm. Dann ist es sehr wohl auch „von außen“ möglich, die einzigartigen, persönlichen Weisen wahrzunehmen, in denen die, der Verstorbene in den verschiedensten Zusammenhängen und Verhältnissen dieser Welt und dieses Lebens hier gelebt, an ihnen teilgenommen hat – und alles in einen ersten Blick aufs ganze Leben, in eine erste lebendige Würdigung des nun abgeschlossenen Lebens einfließen zu lassen.

Und vor allem können alle persönlich Nahestehenden in aller Ruhe bei ihren jeweils ganz eigenen Gefühlen bleiben und ihnen den Raum geben, den sie in dieser besonderen Abschiedssituation ohnehin für sich beanspruchen.

Darum dürfte es in den meisten Fällen nicht nur hilfreich, sondern auch sehr ratsam sein, diese Aufgabe einem vertrauenswürdigen Menschen „von außen“ anzuvertrauen und zu überlassen.